Das war die GLOBART Academy im Parlament

Im voll besetzten Plenarsaal des Parlaments feierten wir die Verfassung und führten sie mit Kunst, Kritik und neuen Artikeln kluger Persönlichkeiten ins nächste Jahrhundert

Die Veranstaltung wurde live auf Okto übertragen und ist in der Mediathek des Parlaments, von Okto und bald dem GLOBART Youtube Kanal verfügbar.

© Parlamentsdirektion/Thomas Jantzen

Der Moderator Michael Kerbler setzte gleich zu Beginn einen der Vorschläge des Gedankenexperiments, wenn auch gekürzt und als Probe, in die Tat um: Anhand des sich häufenden aggressiven Umgangston in Parlamentssitzungen, schlug darin die Leiterin des VinziRast-Hauses Cecily Corti einen achtsameren Umgang in den Verhandlungen und als Training 4 Minuten einleitende Stille vor – um in eine Verfassung zu gelangen, die Verbundenheit entstehen lässt und die der Würde des Hauses gerecht wird.

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Vorschläge für eine neue Verfassung wurden Parlamentsvizedirektorin Susanne Janistyn-Novák, die in Vertretung von Parlamentspräsident Wolfgang Sobotka diese Sitzung eröffnet hatte, von den Stipendiatinnen und Stipendiaten des GLOBART-Studienprogramms Anika Dafert, Max Haarich und Marek Philipp Zink überreicht.

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„Das Handeln der Mehrheit muss sich immer danach ausrichten, dass sie selbst im nächsten Moment zur Minderheit werden könnte.“ Susanne Yanistin-Novák erinnerte an Hans Kelsens Maxime und seine Auffassung, dass die Verfassung die Grundordnung des Staates, das Zusammenleben in einer vielfältigen und durch Konflikte geprägten Gesellschaft, sein soll und dies nur über Verständigung und Kompromissbereitschaft funktioniere. Es gelte daher die Arbeit an der Verfassung über Diskussionen lebendig zu halten und sich an ihrer Weiterentwicklung zu beteiligen.

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Stephan A. Jansen und Friedrich von Borries stellten im Parlament das Projekt des Gedankenexperiments vor:

Eine Sammlung mit Vorschlägen für eine neue Verfassung von 39 klugen Persönlichkeiten diverser Disziplinen, darunter Carola Rackete, Cecily Corti, Armen Avanessian oder Paulus Hochgatterer. Einige der Artikel wurden im Anschluss von den Schauspieler*innen Miriam Fussenegger und Philipp Hochmair verlesen.

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3 Positionen des Gedankenexperiments zur neuen Verfassung verlesen von Miriam Fussenegger bei der GLOBART Academy im Parlament:

„So dumm bin nicht einmal ich, um zu sagen, dass man kein Militär braucht. Aber meine erste Forderung ist eine weltweite Abrüstung aller Staaten. Um es am Beispiel Österreich zu sagen: Statt neuer, wertloser Abfangjäger Drohnen verwenden. Der Passus in der Verfassung, dass der Luftraum zu schützen ist, gehört gestrichen. Dank der EU ist ein Krieg in Mitteleuropa eher unwahrscheinlich. Leider haben die bitteren Erfahrungen gezeigt, dass schon einige Male Abfangjäger irrtümlich Passagierflugzeuge abgeschossen haben. {…}“ – Paul Chaim Eisenberg

„Jeder hat das Recht auf eine moralfreie Position.“ – Dirk Baecker

„[...] Das Recht auf das Geheimnis.

[...] Kinder haben ein Recht auf Dinge, die unsichtbar, die im Dunkeln bleiben. Kinder haben ein Recht auf das Geheimnis. Speziell die Psychoprofis, die das Aufdecken im Programm haben, sollten sich das regelmäßig vor Augen führen [...].“ – Paulus Hochgatterer

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2 Positionen des Gedankenexperiments zur neuen Verfassung verlesen von Philipp Hochmair bei der GLOBART Academy im Parlament:

„Die neue Verfassung beendet unser kulturelles Narrativ der Trennung von Mensch und Natur. Denn diese dualistische und utilitaristische Idee, dass der Mensch nicht Teil der Natur und ihr zudem überlegen sei, sie für Ressourcen ausbeuten und ganze Ökosysteme samt all ihrer diversen Arten vernichten darf, führt die Menschheit immer weiter in ein Zeitalter des ökologischen Zusammenbruchs. {…} Um diese Zerstörung zu beenden, muss eine neue Verfassung ökozentrisch sein. {…}“ – Carola Rackete

„[...] Eine neue Verfassung muss komplexes Denken zulassen, ja sogar fördern, statt einzuengen neue Räume öffnen. Für Kooperation Platz schaffen und nicht auf sture Konzepte zurückgreifen. Die Klimakrise lässt sich weder mit business as usual noch mit thinking as usual bekämpfen. Wir müssen uns als Teil unserer Umwelt verstehen und als Teil einer Weltgemeinschaft, die kooperiert statt Ellbogen ausfährt. [...]“ – Jasmin Duregger

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Wer entscheidet (noch immer, noch nicht) über wen? Wie ist der harte, vor allem teure Weg zur österreichischen Staatsbürgerschaft zu rechtfertigen, wie das Fehlen von politischer Bildung (nicht nur bei jungen Leuten)? Welche Regelwerke kehren das Auseinanderdriften von sozialen Gruppen um? Immer neu und immer noch: Wie lassen sich die Rechte der Natur sichern, um den verengten Zukunftsraum der jungen Leute wieder zu öffnen? Alle diese und weitere Themenfelder wurden im jung&weise-Dialog anlässlich der GLOBART Academy im Parlament fokussiert. Die jungen Leute aus Vorarlberg, Tirol und Wien trafen auf Nationalratsabgeordnete und auf Expert*innen aus der Zivilgesellschaft.

© Sebastian Antes

Folgende Fragen wurden im jung&weise Dialog konkretisiert:
Weshalb essen Menschen so viel Fleisch? Soll man sie davon überzeugen das nicht mehr zu tun? Wenn ja: Wie geht das?
Wie kann man eine objektive Informationsplattform für junge Leute schaffen, um Mitsprache zu ermöglichen?
Junge Leute dürfen erst ab 16 Jahren wählen. Ebenso gibt es viel zu wenig Möglichkeiten und Angebote für politische Bildung. Weshalb ist das so? Macht das Sinn?

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„Ich fänds schön, wenns mehr Varietät gäbe, bei der nächsten Verfassung als bei der letzten [...]. Wenn die Jugend gefragt wird, wenn Frauen gefragt werden, wenn vielleicht Experten, Wissenschaftler mitreden. Wenn einfach die Gesellschaft besser abgebildet wird, in der Entscheidung wie wir zusammenleben wollen.“ – Anika Dafert im Panel mit Mitstipendiat*innen Marek Philipp Zink und Max Haarich sowie Anwältin Michaela Krömer und Moderator Michael Kerbler bei der GLOBART Academy im Parlament

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„Ich würde mir wünschen, dass wir in Österreich einen Verfassungsgerichtshof haben, der Vollzeit tätig ist – wo die Richter*innen wirklich nur diese Aufgabe wahrnehmen – und dass das auch für einen beschränkten Zeitraum erfolgt. Ich glaube dass es immer gut ist nach 10, 15 Jahren andere Gedankengänge zuzulassen – und das passiert wirklich auch meistens durch andere Personen.“

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„Finanzielle Verantwortung und Transparenz; dass wir diese Umverteilung [von unten nach oben] auch stoppen müssen. [...] Warum wollen wir, dass Leute nicht für ewig in ihren Posten sitzen? Das hat ja damit zu tun, dass sich Interessenskonflikte und Abhängigkeiten ergeben und man um die Wiederwahl buhlen muss usw. Wir müssen da ansetzen, dass wir da Mechanismen schaffen, dass konkret finanziell wieder eine Umverteilung stattfindet – von oben nach unten und nicht nur [...] von unten nach oben – und so diese zwei Pole wieder näher zueinander bringen." – Marek Philipp Zink (l.) und

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Mit einzelnen „Verfassungsfragen“ der 10 Tänzer*innen vom Rednerpult leitete die Youth Dance Company – teils auch gesprochen in den Muttersprachen der Tänzer*innen – ihre Performance bei der GLOBART Academy im Parlament ein:

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„Ist den Politiker*innen bewusst, dass es in unserer Gesellschaft leidende Menschen gibt? Wie fühlst Du Dich von den Politiker*innen vertreten?

Was bedeutet Freiheit außerhalb der gesellschaftlichen Norm?

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Wie viele Femizide muss es noch geben?

Wer macht Politik?

Welchen Wert haben Menschenleben?

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Wie fühlt sich Ungerechtigkeit an?

Was bedeuten Gesetze für Dich?

Meine Antwort ist: die Freiheit.

Was war Deine Frage nochmal?“ 

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„Ich wüsste nicht, wo ich anfangen müsste, wenn es um Österreich geht. Aber ich glaube, egal wo: Hauptsache anfangen. Egal ob es jetzt um Bildungspolitik oder um Asylpolitik oder um Arbeitsrecht – ich glaube einfach wir sind in Österreich tatsächlich nicht gleich. […] Ich glaube, damit jeder und jede in Österreich die gleichen Möglichkeiten zum Beispiel auf Bildung hat, müsste man das Bildungssystem so ändern, dass für alle alles leistbar ist. Für jeden.“ – Luna Al-Mousli im Panel mit Filmemacher Jakob Brossmann und Moderator Michael Kerbler bei der GLOBART Academy im Parlament

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„Ich bin damals mit der Annahme nach Lampedusa gereist, dass das unglaublich tragisch ist, dass man im Meer helfen muss [...]. Und dort habe ich durch viele Gespräche [...] begriffen, dass das kein Naturgesetz ist, dass Menschen auf diesen Booten das Mittelmeer überqueren müssen. Tatsächlich gäbe es ja sichere Fluchtrouten, aber sie werden legislativ geschlossen, werden legislativ verhindert – eben auch von Auslegungen unserer Verfassung oder unserer Verfassungen. Und das ist ein Hohn, denn das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht, ist ein Teil der Menschenrechtskonvention. Und um dieses Menschenrecht überhaupt in Anspruch nehmen zu können, muss man sein eigenes Leben in Gefahr bringen. Und selbst das wird in diesen Fällen der Push-Backs nicht gewährt. [...] Das Recht auf eine sichere Reise wär einfach ein wunderbarer erster Schritt.“

– Jakob Brossmann im Panel „Verfassung und Menschenrechte“ mit Schriftstellerin und Grafik-Designerin Luna Al-Mousli und Moderator Michael Kerbler bei der GLOBART Academy im Parlament

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Die Thematiken aus der Publikumsdiskussion befassten sich vor allem mit Forderung nach nachhaltiger und zukunftsorientierter Politik für kommende Generationen, der Umverteilung von oben nach unten sowie der Inklusion von Menschen mit Behinderungen und deren Bedürfnissen in der Verfassung. Es wurde sich außerdem für mehr Lösungsorientiertheit der Politik und Integration der Kunst im gesellschaftlichen, öffentlichen Alltag ausgesprochen.

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„Wir wollen mehr Demokratie wagen und daher müssen wir mehr Partizipation einfordern und auch leben.“ – Journalist und Moderator Michael Kerbler zur Eröffnung der GLOBART Academy im Parlament

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MACHT, das Generalthema der GLOBART Academy 2020 veranlasste uns den Satz aus der Österreichischen Verfassung: „Das Recht geht vom Volk aus“ in den Fokus unserer Debatte zu stellen. Die Stärkung des Selbstbewusstseins des „wahren“ Souveräns, der mündigen Bürger*in, die Akzeptanz des Widersprüchlichen und des Widerständigen im demokratischen Prozess ist gerade jetzt ein gefordertes Regulativ. Als „poetischen Akt“ im Sinne H. C. Artmanns hatte GLOBART im letzten Jahr Kunstschaffende eingeladen Transparente zu gestalten. 

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Mit 24 helfenden Händen – darunter Schüler*innen, Studierende, Teilnehmer*innen der Academy und des Generationendialogs aber auch teils die Künstler*innen selbst, wurden die Künstlerbanner zu Beginn der GLOBART Academy in den Redoutensaal getragen – und so die Stimme der Kunst und Kultur im Parlament verortet.

Unserem Aufruf der Bannergestaltung sind gefolgt: Heimo Zobernig, Rosmarie Lukasser, Tanja Prušnik, Jürgen Tauscher, Manuel Griebler – Art/Brut Center Gugging, Johann Feilacher, Atelier De La Tour, Leo Zogmayer, Thean Chie Chan, Josef Hofer, Florian Boehm und Johannes Dobner.

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„Des Grinsers Absicht ist es, alle, die sein Grinsen sehen und deuten, zu seinen Komplizen zu machen. Zu Komplizen werden sie, indem sie schweigen. [...] Zu viele Worte wären nötig, um sich gegen das Grinsen aufzulehnen und alle Worte würden durch das bloße Grinsen ins Lächerliche gezogen, sodass zuletzt der Widerstand gegen das Grinsen, das Grinsen und den Grinser überzeugender erscheinen lässt als zuvor.“ – Schriftsteller Michael Köhlmeier, „Über das Grinsen in der Politik“ vorgetragen von Schauspieler Cornelius Obonya bei der GLOBART Academy im Parlament

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Wir feiern die Verfassung! 8 Stunden Kunst und Kritik im Parlament.

Nicht erst die aktuelle Corona-Krise hat gezeigt, dass das Modell der westlichen (nationalstaatlich definierten, repräsentativen) Demokratie an seine Grenzen gerät, wenn es um globale Herausforderungen geht. Kompetenz wird aus dem demokratischen Raum an ExpertInnen oder LobbyistInnen abgegeben.

Wie läßt sich die Erosion der westlichen Demokratie aufhalten? Welche Gegenmodelle für ein mehr statt ein weniger Demokratie sind vorstellbar? Anläßlich des 100-jährigen Geburtstags der österreichischen Verfassung stellen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen Perspektiven auf die Zukunft der Demokratie vor. Visionen und Ideen eine Stimme geben: Wo könnten wir das besser als im Parlament?

Die engagierte Auseinandersetzung über zivilgesellschaftliches Wirken, von Bürgerbeteiligung- und Ermächtigung bringt GLOBART im zweiten Schritt am 28. Oktober 2021 ins Parlament um die Verfassung zu feiern und sie ins nächste Jahrhundert führen: Es ist Zeit für ein Update.

Die Veranstaltung wird live auf OKTO übertragen. Den Link zum Stream finden Sie unter www.okto.tv/de/tv/.

Wir danken unseren Kooperationspartnern OKTO, der weitblick GmbH und dem Österreichischen Parlament sowie unseren Unterstützern, der Abteilung Kunst & Kultur der Niederösterreichischen Landesregierung, der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7), dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sowie Vöslauer.

28. Oktober 2021

ÖSTERREICHISCHES
PARLAMENT

Parlament

28.10.2021

Matthias Mittelberger

Philosoph, Politikwissenschaftler und Projektentwickler bei ‚mitweitblick‘

Olivia König

Selbstständige Event- und Projektmanagerin, die das Partizipationsprogramm ‘jung&weise’ (Welt der Kinder) betreut

Carmen Feuchtner

Geschäftsführerin von 'Welt der Kinder', siehe www.weltderkinder.at

Susanne Janistyn-Novák

Parlamentsvizedirektorin

Hans Hoffer

Präsident von GLOBART

Stephan A. Jansen

Professor und Leiter des ‚Center for Philanthropy & Civil Society‘ an der Karlshochschule in Karlsruhe

Friedrich von Borries

Architekt und Professor für Designtheorie

Paul Chaim Eisenberg

Ehemaliger Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien

Philipp Hochmair

Schauspieler

Miriam Fussenegger

Schauspielerin

Jakob Brossmann

Bühnenbildner und Filmemacher

Heinz Patzelt

Generalsekretär von Amnesty International Österreich

Luna Al-Mousli

Autorin, Grafik-Designerin und Illustratorin

Michael Kerbler

Radiojournalist

Referentinnen